Jeden Morgen fege ich die herabgefallenen Blütenblätter unter dem Zitronenbaum zusammen. Zarte weiße Flocken, grüne Blätter: Zitronenlaub. Oben in den Krone verstecken sich die letzten reifen Früchte und ein paar grüne Zitronen bereiten sich schon auf die nächste Ernte vor.
Wie die meisten Athener, die im Zentrum leben, haben auch wir keinen Garten, aber einen kleinen Innenhof, der jetzt zum Mittelpunkt unseres Lebens geworden ist.
In der morgendlichen Kühle gieße ich die Tomaten, die Oma füttert unsere vielen Katzen, die Schwiegereltern trinken einen Balkon höher ihren Kaffee.
Von den Balkonen um uns herum erklingen die ersten Geräusche, Nachbarn hängen ihre Betten in die Wärme, wünschen sich Kalimera, und loben den Frühling, der uns endlich beschenkt. Die Sonne vertreibt die Schatten, Markisen werden heraus gekurbelt, es wird überlegt was man denn heute so kochen könnte, Wäsche flattert auf den Dachterassen im Wind.
Es klingeln die Lieferanten, die Hunde bellen laut, Hausfrauen lassen Leinen mit Haken vom Balkon, werfen Geld in Plastiktüten nach unten und ziehen die Beute des Tages nach oben.
Katzen machen es sich im Hof bequem, belagern Liegestühle und verziehen sich mit der Mittagssonne auf die Schattenplätze.
Aus den Küchen riecht es nach Fett und Oregano, Kinder ziehen vor der Haustür auf der leeren Straße ewigen Kreise, bis die Mütter zum Essen rufen.
Danach wird griechischer Kaffee in kleine Tassen gefüllt, mit kandierte Früchten auf Tabletts drapiert und nach draußen getragen. Unter dem Schatten der Schirme werden die Beine hoch gelegt, die Augen geschlossen und die ungewöhnliche Ruhe genossen.
Es sind sogar die Vögel zu hören, und die Luft ist plötzlich klar. Sogar die Bougainvillea steht schon jetzt in voller Blüte, und kann von Sonne nicht genug bekommen.
Man könnte doch fast auf einer griechischen Insel sein.
Gut, der Meerblick fehlt. Und die langen Wanderungen durch die Natur. Aber mit Sonnenuntergang drehe auch ich meine tägliche Runde, durch die nie endende Nachbarschaft. Sehe wie Menschen ihre Zitronenblüten vom Boden fegen, sehe wir Kinder auf Fahrrädern unendliche Kreise drehen und Katzen immer die besten Plätze finden.
Wenn dann in den Nächten der Jasmin seinen Duft im Hof verstreut, ich mich auf die Stufen vor unserem Haus setze, und die Augen schließe, kann ich mir ein Meer vorstellen, dass irgendwo in der Dunkelheit rauscht.
Die Fantasie ist meine treue Freundin.
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In Griechenland sind die Maßnahmen wegen Covid-19 noch immer streng und die Häuser dürfen nur verlassen werden, wenn eine SMS verschickt wird. Um zu vermeiden, dass sich das Virus auf die Inseln und in die Dörfer mit geringerer medizinischen Versorgung verbreitet, ist es untersagt zu Reisen. Auf die Inseln darf nur, wer dort gemeldet ist. Damit ist ein Großteil der griechischen Bevölkerung gezwungen in den Städten zu feiern – ohne Kirchgang, Prozessionen und den reichen Traditionen, die es eigentlich an Ostern gibt.
Es wird ein Ostern im Innenhof werden, in der Hoffnung, dass die Fantasie uns zum Inseltraum verhilft.
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