Noch sind die Kafenions leer, die gläubigen Orthodoxen sitzen seit der Morgendämmerung in der Kirche und lauschen der Verkündung. Später erst stoßen die Langschläfer durch die offen stehenden Türen dazu, jeder kann hier kommen und gehen wann er will.
Es ist der 25. März, der Tag der Maria Verkündung* und gleichzeitig auch der Nationalfeiertag**, ich habe wie viele andere aus Athen das lange Wochenende genutzt, um das Schauspiel auf einer Insel zu verfolgen: Wie so oft auf dem geliebten Andros.
Aus der Kirche geht es ins Kafenion unter der Platane, gewartet wird jetzt bis die große Parade beginnt.
Auf dem Kirchvorplatz haben sich nun die Bewohner und Bewohnerinnen des Inselhauptstädtchens versammelt. Es liegt eine aufgeregte, vorfreudige Stimmung in der Luft, wie hinter den Kulissen kurz bevor der Vorstellung.
Verträumte Gesichter warten in der Mittagssonne auf den großen Moment: Einmal alle zusammen als Gemeinde durch den Ort marschieren.
Allen voran der Bürgermeister und sein Gefolge.
Danach folgt die Kapelle, und dann die Kinder bis zur Jugend, Schülerinnen in knappen Röcken, Schüler der Marineschule und ein streunender Hund.
Die Athener schießen von den Cafés aus Fotos, um wie ich die Nostalgie einer anderen, für uns längst vergangenen Welt einzufangen. Wie ein Schmetterlingsfänger mit seinem Netz.
Wir belächeln und beneiden zugleich das Schauspiel der Provinz: Vom Stolz des Bürgermeisters und seinem Gefolge, wie er gleich durch das Tor schreitet, und ihn dann ein Blitzlichtgewitter empfängt, das leider in der Sonne untergeht.
Vom Zauber der Insel, den wir auf den Gesichtern der Kinder lesen, die Fahne haltend, Kopftücher aus weißem Stoff die in der Sonne leuchten.
Danach gehen alle in die Tavernen und essen Bacalhau mit Knoblauch Creme**, eine heute erlaubte Ausnahme in der Fastenzeit. Am Abend steigen die Athener wieder auf ihre Fähren, lassen die Insel hinter sich, den Zauber und die Prise der Nostalgie.
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*Am 25. März wird Maria Verkündung gefeiert, von den Griechen „Evangelismos Theotokou“ (Ευαγγελισμος Θεοτοκου) genannt. Der Begriff „Evangelium“ (εὐαγγέλιον) kommt aus dem Griechischen und bedeutet „gute Nachricht“. Der Engel Gabriel soll an diesem Tag Maria die Nachricht überbracht haben, dass sie den Sohn des Heiligen Geistes zu gebären werde.
**Der Nationalfeiertag bezieht sich auf den 25. März 1821, den Beginn der griechischen Revolution gegen die Herrschaft der Osmanen und für eine unabhängige griechische Republik.
***Wer jetzt Lust auf Knoblauch bekommen hat, findet das Rezept zur Knoblauch Creme, die an diesem Tag traditionell gegessen wird auf diesem schönen griechischen Food Blog „Zitronen und Olivenöl“.
wieder soo schöne Fotos, Julia. Besonders diese Kindergesichter! Ich traue mich ja nicht, leider, Menschen zu fotografieren, so gern ich es auch täte. Da muss ich halt zwichnen wie die Gerichtszeichner in England. Oder ist das in den USA?
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Danke dir Gerda, es kostet mich schon auch noch Mut Menschen zu fotografieren, aber bei Veranstaltungen, an denen viele Menschen fotografieren, da fällt es mir leichter.
Deine Skizzen gerade in der Metro haben aber auch etwas ganz Eigenes, was sich durch Fotografie nicht vermitteln lässt.
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Da wäre ich jetzt gerne … es sieht so schön aus auf deinen Fotos! Besonders gefiel mir das Foto, in dem der junge Gardist den streunenden Hund anlächelt. 🙂
Von dem Zitronen und Olivenöl Blog habe ich schon so manches Rezept nachgemacht … 😉
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Danke Stella, ja der Junge mit dem Hund gehört zu den Szenen des Wartens, die ich immer wieder gern fotografiere.
Lieben Gruß nun schon wieder aus Athen
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Oh, wie stimmungsvoll, ich erinnere mich an ein Fest, dem ich auf Siphnos beigewohnt habe. Das war auch sehr feierlich. Und die Kleidung. Sehr schön. Andros wird mir immer sympathischer. …..nächstes Jahr vielleicht…. liebe Grüße, Marie
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Danke Marie, erinnerst du dich noch welches Fest es auf Siphnos war?
Mir wird Andros auch immer sympatischer, vor allem weil es recht nah an Athen liegt und so viel Grün hat, was mir hier fehlt, fahre ich so oft wie möglich rüber.
Lieben Gruß
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