Geliebter Südwind

Es weht der Südwind. Er ist uns milde gestimmt. Mitten im Winter bringt er uns einen Hauch Wärme.

aussicht

Noch vor wenigen Tagen wurde der Norden Athens mit kaltem Weiß berieselt und Eis überzog die runden Pflastersteine. Kinder aus den nördlichen Stadtteilen zogen ihre Schlitten hervor oder legten sich als Engelchen in den Schnee. Die Bürgermeister dieser Bezirke beschlossen zwei Tage Schulfrei, zu gefährlich sei die Fahrt zur Schule, denn nur wenige Straßen konnten geräumt werden. Die Züge und Bahnen lagen lahm und weil viele Autos nur mit Sommerreifen ausgestattet sind, blieben auch manche Menschen der Arbeit fern.

park

Auch die Inseln vor der Stadt bekamen weißen Hauben, und aus dem Schnee leuchteten nur noch die blauen Fensterläden hervor.

Nur das Zentrum Athens schaute voller Neid auf das Wintermärchen, zaghafte Flöckchen schmolzen noch bevor sie es sich auf der Akropolis gemütlich machen konnten. Und dann zog ein Wind auf, der warme Luft aus dem Süden über das Meer herbrachte.

Es ist der Südwind, der baut Wolken zusammen, lässt sie manchmal erschauern, er versteckt die Sonne, aber er ist nie hart zu uns.

himmelsstreifen

In unserem Hof erzählt mir die Oma mit feinen Falten im schönen Gesicht: „Früher als Kind habe ich den Wind noch nicht verstanden, aber ich wollte immerfort an seiner Luft bleiben. Später verstand ich, dass der ‚Notos‘ uns den Süden bringt und sich deshalb alle im Hof versammeln um seinen Gruß zu empfangen.“

Notos wurde schon von den alten Griechen als Gottheit verehrt, er gehört neben Euros, Boreas und Zephyros zu den Winden (Anemoi). Die Bedeutung der Winde in Griechenland lässt sich auch an dem antiken Bauwerk im Zentrum Athens erkennen, dem Turm der Winde, mit seinen acht Ecken.

agora

Hier ist an einer Seite oben im Relief auch eine Darstellung des Südwinds Notos, als junger Mann, der aus einem Krug Regen gießt.

notos

Mein geliebter Südwind, der in weichen Böen dem Winter schmeichelt, der uns die Mantelknöpfe öffnen lässt, uns die Mützen vom Kopf nimmt, uns durch die Haare fährt und uns sagen lässt: Ach was für ein schöner Tag heute.

geflecht

21 Kommentare zu „Geliebter Südwind

  1. Ich freue mich, dass du mich an diesen wunderbaren Turm erinnert hast, den mir Gerda im letzten Jahr zeigte – dort habe ich mich spontan in den Ostwind verliebt. Es scheint als hätte so jede ihren eigenen Wind?
    Natürlich bin ich gerade froh über den Südwind, der wieder kleine, blaue Wolkenlöcher reißt und einen zart wärmenden Trost mit sich bringt.
    Sehr schöne Fotos hast du zudem gemacht.
    Liebe Grüße
    Ulli

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      1. den Ostwind liebte ich auch sehr, als ich an der Ostsee lebte, denn er brachte meist strahlend blauen Himmel. Der Südwest aber brachte schweres Gewölk und Regen – daher auch der Name des Regenschutzes für den Kopf „Südwester“. Es kommt halt drauf an, wo man grad wohnt – schon ändern sich die Vorlieben…

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      2. Ich mag das klare Licht, das der Ostwind im Gepäck hat, wenn auch oft eine gewisse Frische bis Kälte, aber je nach Jahreszeit ist das dann auch sehr Willkommen bei mir, da ich kein Hitzemensch bin.

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  2. Och, sind das tolle Fotos! Ich mag den Boreas ja lieber als den Notos – er bringt Klarheit und frische Luft. der Notos trübt die Atmosphäre und bringt Saharasand. Aber andererseits, schön ist er auch in seiner Weichheit und Kraft.

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      1. Wohl wahr! Und dass wir allen Winden ausgesetzt sind, mal so mal so, und nicht in der Südwest-Drift leben müssen, wo die Haare immer nach Nordosten stehen.

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