Pilion im Herbst

Weil man vom Herbst in Athen kaum etwas vernimmt, fahren wir zum Pilion, das Gebirge in dem die Götter Urlaub machten und die Kentauren* hausten.

Nach einer vierstündigen Fahrt von Athen aus gen Norden, erreichen wir hinter der Stadt Volos den Pilion. Die Straße schlängelt sich durch Laubwälder hindurch und gibt immer wieder atemberaubende Blicke auf das Meer frei, das irgendwo unter uns liegt und mit dem Blau des Horizonts eins geworden ist.

Baumkronen

In den Baumkronen über uns leuchtet das Laub farbenfroh, Nebelschwaden ziehen durch die Schluchten und es riecht nach Kaminfeuer, wenn wir kleine Dörfer passieren.

VolosVolos

Wir erreichen Tsagkarada, ein Bergdörfchen in Ostpilion mit Einbruch der Dämmerung. Hier liegt in einer der gewundenen Straßen unser Hotel. Im Dachstuhl klafft ein Loch, im Garten, der auf den Fotos mit einer Cocktailbar ausgestattet inklusive Pool war, steht das Gras hoch um den leeren Pool und eine Hängematte verrät noch von vergessenen Zeiten. Über allem liegt ein Schleier des Vergangenem, des Sommers, der sich nun in fallendes Laub und Tau auf den Gräsern verwandelt hat.

Haus_tsakaradaHaus in Tsakgarada

Wir sind die einzigen Gäste wie es scheint, geheizt wird mit Holz in einem Kamin neben dem Bett, und vom Balkon aus sehen wir wie gewünscht bunten Herbst und dahinter das Meer. Die Hausherrin schenkt uns eine Flasche selbstgemachten Wein, der mich in der Nacht von wilden Kentauren träumen lässt.

 

Der nächsten Tag beginnt mit der Suche nach Frühstück, ein Abenteuer in einem Bergdorf außerhalb der Saison. Ein schmaler Wanderpfad führt uns zur Platia, dem Hauptplatz des Ortes, der von zwei Restaurants, einem Souvenirgeschäft und einer Kirche gesäumt ist. In der Mitte thront eine uralte Platane, deren Stamm mich an Elefanten denken lässt.

elefantenbaum

Es ist kurz nach zehn Uhr und kein Mensch zu sehen. Das Laub fällt langsam auf die kleinen Tische, die unter den schweren Ästen auf dem Platz aufgestellt sind. Alles ist verschlossen, sogar die Kirche und wir haben nun wirklich Hunger. Als wir eben gehen wollen, kommen drei Kellner heran geeilt und öffnen das Restaurant. Einer schiebt hastig das Laub zwischen den Tischen zu dem Haufen, auf dem sich bereits Laub aus vergangenen Wochen türmt. Der andere nimmt unsere Bestellung auf und der dritte dreht die Musik auf, die jetzt den ganzen Platz beschallt.

Es schlägt halb Elf Uhr und eine Schar griechischer Touristen strömt auf den Platz, bevölkert die Tischchen, fotografiert sich vor der Platane, bestellt Capuccino und verlangt nach dem Schlüssel der Kirche.

So wie der Reisebus pünktlich kommt, fährt er eine halbe Stunde später auch wieder. Und wir können uns gestärkt auf den Weg machen den Herbst im Pilion zu entdecken.

*Kentauren sind Mischwesen aus der griechischen Mytologie mit einem männlichen Oberkörper und den Hinterbeinen eines Pferdes, die bekannt waren Wein zu lieben und Frauen zu missbrauchen. Chiron, der mächtigste unter ihnen soll im Pilion seine Höhle gehabt haben.

edf

Wer Ruhe sucht und Wandern will, immer mit dem Blick aufs Meer, ist hier im Paradies, vor allem zur Nebensaison. Mehr von den Wanderwegen im Pilion und weiteren Abenteuern folgen bald.

12 Kommentare zu „Pilion im Herbst

  1. Ein Toller Bericht und diese Gegend würde mir so in der Nachsaison auch sehr gefallen. Von dort nach Kassandra, wo wir wohnen, hätten wir uns fast zuwinken können. Die Erklärungen von Gerda sind dazu ein toller Geschichtsunterricht. So macht Geschichte Spaß. Die Berichte von Dir und Unterricht von Gerda. Das passt. 😀😍
    Lieben Gruß von Ulla

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      1. einfach mal nachlesen bei Gutenberg. Faust II, klassische Walpurgisnacht. Die spielt in der thessalischen Ebene, erwähnt werden der Pelios und der Ossa, die die Giganten einer wilden Nacht übereinandertürmten. Stammt aus der Odyssee (11, 315), wo zwei Riesen den Berg Ossa auf den Olymp und dann den Berg Pelion auf den Ossa türmten, um den Himmel zu erstürmen. Daher die Redensart: „Den Pelion auf den Ossa türmen“. Ist auch im Englischen gebräuchlich. Sehr wichtig ist der Pelion auch wegen des Zentauren Cheiron, dem Lehrer der Argonauten. In seiner Höhle wurde auch die Hochzeit der Harmonia mit dem Kadmos gefeiert, zu dem alle Götter eingeladen waren. Nur Eris nicht, die Göttin des Streites. Die rollte deswegen eine goldene Kugel zwischen die Feiernden, darauf stand: der Schönsten. Und sofort stritten sich die anwesenden Göttinnen, wem sie gehöre. Den Streit sollte Paris, der Prinz von Troja schlichten. Und der gab die Kugel Aphrodite im Gegenzug zu deren Versprechen, dass er Helena gewinnen wird. Was den Beginn des Trojanischen Kriegs markiert.
        Kentaur wird übrigens hergeleitet von kentao thn aura – die Aura sticken. Cheiron kommt von Hand – Cheir, heute noch in Chirurgie. Der weise Kentaur ist also ein großer Heiler, der allerdings selbst verletzt ist und schließlich … aber ich komme ins Schwätzen. Gute Nacht..

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